Das Lesen einiger Bibelverse und ein schnelles Beantworten der Frage „Was heißt das?“ kann zu problematischen Ergebnissen führen. Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte vom reichen Jüngling (Markus 10,17-27). Ist mit den Aussagen von Jesus wirklich gemeint, dass Reiche nicht in den Himmel kommen können? (Das wäre schade für viele Glaubenshelden des Alten Testaments wie Hiob oder David, die sehr reich starben.) Heißt Vers 19, dass nur die Gebote der Schlüssel zum Himmel sind? Zeigt Vers 21, dass Jesus nicht alle Menschen gleich liebt? So ein oberflächlicher Umgang mit der Bibel ist nicht zu empfehlen. Wer sagt: „Die Bibel erklärt sich selbst!“ und dabei meint „Jede Bibelstelle erklärt sich selbst!“, hat keine gute Grundlage fürs Verstehen der Bibel. Folgende Gedanken und Tipps helfen mir bei schwer verständlichen Bibelstellen:
- Was ist Gottes Absicht dahinter?
Die Frage, ob eine Aufforderung, die in der Bibel steht, dem Empfänger damals galt oder auch mir heute, lässt sich nicht immer leicht beantworten. Hilfreich ist die Frage, was Gottes Absicht damit ist. Wenn ich Gottes Willen hinter einer Aufforderung verstehe, fällt es leichter, die Bedeutung für mich zu erkennen.
- Die Bibel lässt viele Berichte unkommentiert.
Gerade im Alten Testament stolpere ich oft über ungeheuerliche Berichte, wie den in Richter 11,30-40, in dem beschrieben wird, wie Jeftah vor Gott ein Gelübde ablegt, das ihn aus seiner Sicht dazu zwingt, seine einzige Tochter zu opfern. Die Tatsache, dass dieses Opfer nicht kommentiert wird, sollte für uns nicht bedeuten, dass es im Sinne Gottes war. Schließlich gibt es viele Bibelstellen, die deutlich machen, dass Gott Menschenopfer verabscheut (beispielsweise Jeremia 32,35).
- Wie oft kommt eine Aussage in der Bibel vor?
Auch wenn man die Bibel nicht mit mathematischen Prinzipien auslegen kann: Wenn sich zwei Aussagen der Bibel auf den ersten Blick widersprechen, kann es sinnvoll sein, zu gucken, wie oft die beiden Aussagen in der Bibel vorkommen. Wenn eine der Aussagen nur ein einziges Mal vorkommt, die andere dagegen über 50 Mal, ist es wahrscheinlich sinnvoller, die einmalige Aussage im Licht der Aussage zu sehen, die immer wieder vorkommt als umgekehrt.
- Hilfe in Anspruch nehmen
Kommentare zur Bibel sind nicht nur etwas für Pastoren, auch ich als Laie komme gerne auf sie zurück. Und wenn ich feststelle, dass ein Verb in Hesekiel 34,16 je nach Bibelübersetzung entweder mit „vertilgen“ oder mit „behüten“ übersetzt wird, rufe ich einen der Pastoren in meinem Bekanntenkreis an, um zu fragen, was da wirklich im Urtext steht.
- Die eigenen Grenzen akzeptieren und das Wichtigste nicht vergessen
Luther soll einmal gesagt haben, dass er vor den Bibelstellen, die er nicht versteht, den Hut zieht. Das ist ein schönes Bild für mich. Was mir in der Bibel unverständlich bleibt, kann ich als Teil von Gottes Wort respektieren, gleichzeitig muss mich dieser Umstand nicht quälen, unsere Erkenntnis bleibt nun einmal Stückwerk (1. Korinther 13,12). Wenn ich mich zu sehr in schwierige theologische Detailfragen vertiefe, tut es mir gut, mich daran zu erinnern, dass der Glaube eigentlich keine komplizierte Sache ist: Sowohl im Alten Testament (Micha 6,8) als auch im Neuen Testament (Matthäus 22,37–40) wird klar gesagt, was Gott von uns verlangt und auch Gottes großer Rettungsplan ist in Johannes 3,16 verständlich und gut erklärt.
Benjamin Carstens, Redakteur von BLB Fokus, Referent für Öffentlichkeitsarbeit
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