Die Trümmer von Sodom

Ich konnte es in seinen Augen sehen. Unendlichen Schmerz. Trauer. „Hätte ich meine Heimat doch niemals verlassen“, flüsterte er. Ich verkniff mir die Frage, warum er alles aufgegeben hatte. Doch er erzählte es von sich aus. Da war diese Vision, eine Eingebung, die sie von heute auf morgen die Zelte abbrechen ließ. Sein Onkel hatte sie alle davon überzeugt, wie großartig die Zukunft für sie aussehen würde. Welcher Segen auf sie wartete. Der Herr selbst würde ihnen den Weg weisen. „Wir haben tatsächlich geglaubt, dass es etwas Besseres für uns gibt.“ Ich hörte ein verächtliches Schnauben.

Letzten Endes waren sie getrennte Wege gegangen, er und sein Onkel. Die ständigen Spannungen hatten sie beinahe zermürbt. Und dann war da diese Weggabelung, die sie als Zeichen gedeutet hatten. „Zwei Männer müssen zwei Wege gehen. Der Törichte wählt, was das Auge lockt. Der Kluge geht, wohin der Herr ihn führt.“ Er blickte mich gedankenverloren an, während er weiter vor sich hin redete. Ich konnte mir denken, für welchen der beiden Männer er sich hielt.

Es musste ihn unendlich schmerzen, auf den Schutthaufen vor sich zu blicken. Was damals mit einem abenteuerlichen Aufbruch begonnen hatte, war hier für ihn in Rauch aufgegangen. In diesem Höllenfeuer, wie er den Brand von Sodom nannte. Hier waren seine Träume und Hoffnungen begraben worden. So hatte er sich die Zukunft nicht vorgestellt.

Die ganze Zeit über hatte er seine Entscheidung rechtfertigen müssen – sie war ihm zur Last geworden. Er hatte sich etwas Besseres für seine Familie gewünscht. Es schien sein Herz ein wenig zu erleichtern, all diese Dinge auszusprechen. Er blickte konzentriert in die Ferne, als suchte er den Horizont nach etwas ab. „Die Stelle ist nicht weit weg, an der meine Frau gestorben ist“, murmelte er in seinen Bart. „Sie hat an den Ort zurückgeschaut, den Gott verdammt hat.“

„Den Ort, den Gott verdammt hat …“ wiederholte ich leise. Ich hatte von der Stadt gehört. Ihr Ruf war ihr vorausgeeilt. Man nannte sie die Stadt der bösen Seelen. Selbst der Krieg hatte die Menschen hier nicht wach rütteln können. Sie waren nur noch habgieriger und gewalttätiger geworden. Irgendwann würden sie den Zorn Gottes zu spüren bekommen, hatten die Leute gemunkelt. Es war eingetroffen.

Ich musterte ihn. Wie hatte er dem Strafgericht von letzter Nacht entfliehen können? War er zufällig außerhalb der Stadt gewesen? Hatte er einen Tipp bekommen? Doch wer sollte etwas von den ewigen Ratschlüssen Gottes erahnen können? „Aus welchem Grund bist du verschont geblieben?“, hörte ich mich plötzlich fragen. Mein Mund hatte entschieden, die brennende Frage einfach auszuspucken. Er schien überrascht. Und als suchte er selbst nach einem Grund, runzelte er die Stirn und dachte angestrengt nach. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Zaghaft sagte er: „Der Herr hat mich gerettet!“

Ich sah ihn verwundert an. Und als würde er sich selbst über seine Worte wundern, wiederholte er sie fragend. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich bei jeder Wiederholung. Plötzlich nahm er meine Hände und schaute mich durchdringend an. Dieselben Augen, in denen soeben noch tiefer Schmerz gelegen hatte, leuchteten. „Der Herr hat mich gerettet! Derselbe, der mich aus meiner Heimat geführt hat.“ Glaubte er trotz allem daran, dass Gott etwas Gutes für ihn vorgesehen hatte? Ich würde es niemals erfahren. Doch gab mir seine wundersame Rettung die Hoffnung, dass der Herr Menschen nicht umsonst aus ihrer Heimat führt und sie durch Feuerproben gehen lässt.

Ein nachdenklicher Bewohner Zoars


Bild: Unsplash.com

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